Wir Menschen sind verschieden. Wir glauben an verschiedene Götter, essen unterschiedliche Dinge und haben ganz andere Träume und Pläne. Und doch verbindet uns vor allem eines: die Sprache. Wie fühlt es sich zum Beispiel an, wenn Sie im Ausland Ihre Muttersprache hören? Oder, falls Deutsch nicht Ihre Muttersprache ist, wenn Sie morgens im Bus jemanden Jugoslawisch, Türkisch oder Arabisch sprechen hören? Eine Sprache, mit der Sie groß geworden sind und mit der Sie so viel Schönes verbinden. Macht es Sie glücklich, wenn Sie merken, dass es mehr Menschen wie Sie gibt?
Unsere Sprache prägt unsere Persönlichkeit
Nicht nur die „eigene“ Sprache ist wichtig. In einem Bericht von Andrea Burchhart spricht die Expertin Zwetelina Ortega über die Bedeutung sprachlicher Vielfalt. Das menschliche Gehirn sei, so Ortega, für mehrere Sprachen gemacht und Sprache präge unsere Persönlichkeit ebenso wie unsere Sicht auf die Welt. Deshalb sei es eine große kulturelle und menschliche Katastrophe, wenn Sprachen verloren gehen oder abgewertet werden.
Sprachen sind Brücken, keine Grenzen
Oft hört man den Satz: „Wir sind in Österreich, hier wird Deutsch gesprochen!“ Das ist verständlich. Schließlich leben wir in einem Land, das uns aufgenommen hat, und Deutsch ist die gemeinsame Sprache unseres Alltags. Sie ermöglicht uns, uns zu verständigen, zu lernen, zu arbeiten und Teil der Gesellschaft zu sein.
Aber ist es wirklich ein Problem, wenn jemand in der Pause Türkisch, Arabisch oder Bosnisch spricht? In der Schule lernen wir schließlich auch Englisch, Französisch, Italienisch oder Spanisch und niemand empfindet das als störend. Warum also diese Trennung zwischen „erwünschten“ und „unerwünschten“ Sprachen? Jede Sprache ist ein Stück Identität, ein Stück Heimat, das man mit anderen teilen kann. Wenn Kinder miteinander in ihrer Muttersprache sprechen, bewahren sie ihre Wurzeln und lernen gleichzeitig, zwischen Kulturen zu vermitteln. Das ist kein Hindernis, das ist ein Geschenk.
Die Sprache als Schlüssel zur Herkunft
Viele von uns haben sich schon einmal gefragt: Wo komme ich eigentlich her? Wer waren meine Vorfahren? Ich habe mir diese Fragen auch gestellt und Antworten gefunden, als ich begann, mich mit meiner Herkunft zu beschäftigen. Ich komme aus Bosnien und Herzegowina, einem Land, das schwere Zeiten durchlebt hat. Meine Vorfahren haben im Krieg ihre Sprache und Kultur verteidigt. Das hat mir gezeigt, wie wertvoll Sprache ist: Sie ist Erinnerung, Geschichte und Identität zugleich.
Ich sprach immer Bosnisch, aber erst als ich begann, mich mit der Geschichte meines Landes auseinanderzusetzen, habe ich verstanden, wie wichtig es ist, die Sprache richtig zu beherrschen. Für mich ist das eine Form von Respekt, gegenüber den Menschen, die vor uns waren, und gegenüber mir selbst.
Ein Appell an uns alle
Bringen Sie Ihren Kindern Ihre Sprache bei. Sprechen Sie zu Hause sowohl Deutsch als auch die Sprache, mit der Sie groß geworden sind. Und lassen Sie die Kinder in der Schule auf den Gängen reden, wie sie möchten, ob auf Deutsch, Türkisch, Arabisch, Bosnisch oder Englisch. Jede Sprache öffnet eine Tür, jede Sprache ist eine neue Welt.
Helfen wir unseren Kindern, diese Welten zu entdecken und unsere Vielfalt zu bewahren.
Kommentare