Natürlich gab es Vorträge in der Schule, Infoveranstaltungen, Warnungen. Aber meist waren allgemein gehalten, selten waren sie praxisnah. Alles, was ich heute über das Internet weiß, ist hart erarbeitetes Wissen.
14 Jahre. Das Alter, bei dem meine Eltern es endlich für nötig empfunden haben, mich in die digitale Welt zu lassen: Ich bekam mein erstes Smartphone.
Die „Bedienungsanleitung“ dazu fiel eher knapp aus: So rufst du uns an. So funktioniert WhatsApp. Das ist Google, damit kannst du alles weitere erfragen.
Meine erste Google-Suche? Wahrscheinlich etwas wie: „Wie aktiviere ich mobile Daten oder WLAN?“
Ironischerweise bekam ich darauf keine Antwort. Ich hatte ja weder Empfang noch Internet. Niemand war da, um zu helfen. Also blieb nur eine Strategie: Ausprobieren.
Das führte mich schließlich zu den Einstellungen, und mit funktionierendem WLAN wurde Google zu meinem ständigen Begleiter, aber ausprobieren musste man trotzdem alles selbst.
„Vorbild“ trifft es nicht ganz
Mein Wissen über das Internet stammt nicht von einer bestimmten Person, sondern aus vielen verstreuten Quellen, dem verzweigten Netz selbst. Ob „Vorbilder“ dann akkurater wäre? Nein, denn ich habe nie zu jemandem aufgeschaut, wenn es ums Digitale ging. Manche Quellen waren zwar bewusst gewählt, andere haben sich jedoch einfach ergeben.
"https://www.google.com/search?q = was+bedeutet+das?"
Fast jede meiner Fragen begann mit Google. Die Benutzererfahrung zeigte mir nach und nach, wie man Suchbegriffe formuliert, worauf man vertrauen kann, worauf man besser nicht klickt. Ich habe gelernt, dass die ersten Treffer nicht immer die besten sind, dass Werbung anders aussieht als echte Infos, und dass man immer mehr als nur eine Quelle benötigt, um als seriös eingestuft zu werden.
Doch reale Personen als „Vorbild“?
Google ist nie die Antwort selbst, nur der Weg dorthin. Am Ende landet man stets auf Blogs, Foren, Wikis oder wo ich mich oft wiederfand: Saferinternet, oder bei besonders spezifischen Problemen: GuteFrage. Viel lernte man auch einfach nur durch pures Lesen oder das Verhalten anderer Nutzer, nicht zwingend durch aktiven Austausch. Man schnappte Regeln, Werte und Tipps passiv auf.
Kleine Wegweiser: Die Benutzeroberfläche
Das Web selbst ist manchmal Vorbild: Man klickt auf „AGBs akzeptieren“, bekommt Cookies erklärt, wird auf Passwortregeln aufmerksam gemacht.
Dankbar für den Medienkompetenzunterricht
Es war ein ganz normaler Donnerstagvormittag an meiner Mittelschule, als ich jemanden fand, der alle meine noch so absurden Fragen beantwortete, wirklich beantworten wollte, dem ich ohne Zweifel vertrauen konnte und der mir so eine persönliche Bindung anbot wie nie zuvor.
Welche Wunderperson da in meinen Alltag gestolpert ist? Eine Pädagogin von Safer-Internet wurde für einen Workshop an meine Schule geholt.
Hätte ich an diesem Tag einen Artikel über ein digitales Vorbild schreiben müssen, wäre er wohl dieser Pädagogin gewidmet gewesen.
Trotzdem brachte ich am Ende des Unterrichts nicht den Mut auf, die wichtigste Frage tatsächlich auszusprechen. Also wurde sie später, wie so viele andere auch, einfach bei Google eingegeben.
So wertvoll der Workshop für mich war, so blieb die Interaktion letztendlich zu unpersönlich, um von mir als Vorbilder bezeichnet zu werden.
Wer hätte es sein sollen? Mein Rückblick, deine Meinung
Viele Menschen wachsen einfach ins Digitale hinein, ohne ein konkretes Vorbild zu haben. Man lernt durch Trial and Error, durch Neugier, sammelt Erfahrung, häuft Wissen an. Und wenn dabei nichts Schlimmes passiert ist, hat man einiges richtig gemacht, oder? Auch ohne klassische Anleitung?
Meine digitale Reise ist eine Heldengeschichte mit Happy End, ich habe alle Hürden überwunden, Freundschaft entdeckt und alle Gefahren ohne einen Kratzer überstanden.
Genauso leicht hätte diese Geschichte sich jedoch auch in eine Tragödie verwandeln können. Ich hätte das Paradebeispiel eines Falles werden können, über das Saferinternet in seinen Workshops erzählt.
Oft war ich nur einen Mausklick von einem Virus entfernt, doch ist man das nicht immer?
Ich gebe zu, ich habe viele törichte Dinge unternommen. Aber gibt es nicht das Sprichwort: „Manche Fehler muss man selber machen.“
Ich frage mich, ob eine persönliche Ansprechperson etwas verändert hätte. Wäre es auf den gleichen Wissensstand hinausgelaufen oder habe ich sogar eine Wissenslücke, was Digitalkompetenzen angeht? Hatte ich bisher nur Glück in keine brenzlige Situation gestolpert zu sein?
Was ist deine Meinung:
Hattest du eine ähnliche Lernerfahrung?
Wen hättest du ausgesucht, den Informatiklehrer in der vierten Klasse, lieber schon die nette Biologielehrerin in der ersten, auch ohne digitale Qualifizierungen?
Ist der beste Fall einen Software-Entwickler in der Familie zu haben? Oder lieber jemand außenstehendes? Wer wenn es nicht um technische Bedrohungen geht, sondern Themen wie Cybermobbing, Sucht oder Grooming?
Die KI- die neue Generation der digitalen Vorbilder?
Mein digitales „Vorbild“ war lange Zeit Google. In vielen Bereichen hat sie konstant geliefert. Doch während Google in Bezug auf den Zugang zu Wissen unschlagbar ist, ergibt sich auch bei der schieren Menge an Informationen, die zugänglich sind, ein Problem.
Denn echte, direkte Kommunikation, also ein wirkliches Vermitteln eines konkreten Problems oder eigene Vorschläge zur Problemlösung zu bewerten, ist unmöglich. Google reagiert nur auf Schlagwörter, leitet weiter, ist eine Art Verteilerstelle. Die Suchmaschine kann daher keine individuellen Ratschläge für spezifische Probleme oder einzigartige Situationen bieten.
Das kann nur menschliche Interaktion, oder eine Nachahmung davon?
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Künstliche Intelligenz (KI) vielleicht die nächste Generation digitaler Vorbilder sein könnte. KI, mit ihren zunehmenden Fähigkeiten zur personalisierten Beratung, könnte in der Theorie diesen Mangel an individueller Interaktion ausgleichen. Außerdem ist auch sie keine reale Person, weswegen die Unsicherheit soziale Angst, die vor allem mich oft dazu bewegte, doch in der Fragerunde zu schweigen, auch wegfällt.
Doch auch bei der KI gibt es ein entscheidendes Problem: Vertrauen.
Die Verantwortung für persönliche Beratung an eine Maschine abzuwälzen, ist aus meiner Sicht problematisch. Denn hinter der scheinbar neutralen Oberfläche steckt ein System, das auf einer gewaltigen Menge an Daten basiert – Daten, die aus unterschiedlichsten Quellen stammen: Blogs, Artikeln, Foren, Werbung, Social Media, politischen Beiträgen aus allen Parteien und vielem mehr.
Diese Inhalte spiegeln nicht nur Wissen, sondern auch Meinungen, Überzeugungen und Agenden wider. Sprachmodelle wie ChatGPT verarbeiten all das gleichzeitig, ohne echtes Verständnis. Was als korrekt, hilfreich oder ethisch gilt, hängt stark davon ab, wie die KI trainiert wurde – und von den Moderationsrichtlinien, die von den jeweiligen Unternehmen festgelegt werden. Das „Wissen“ der KI ist das Produkt eines riesigen digitalen Stimmengewirrs: Auch hier ist Vertrauen fehl am Platz.
Vertrau mir!
Ich hatte niemanden, wie ich im Nachhinein feststelle, auch durch mein eigenes Verschulden. Aber das muss bei dir anders laufen.
Viele Menschen setzen sich aktiv dafür ein, verletzliche Personen vor digitalen Gefahren zu schützen. Seien es :
- Hacker, die kriminelle Netzwerke aufdecken.
- Die Polizei, die zunehmend auch gegen Cybermobbing vorgeht.
- Moderator:innen bei Social-Media-Plattformen, die Falschinformationen filtern.
- Die informierte Oma, die Scammer möglichst lange zum Narren hält.
- NGOs
Was mir gefehlt hat, kannst du dir holen: Geh aktiv auf andere zu, frag nach, sprich Themen an. Du wirst erstaunt sein, wie viele bereit sind zu helfen, wenn man sie nur lässt.
Digitalkompetenz ist eine gemeinsame Aufgabe für die ganze Gesellschaft. Ich bin vielleicht kein Experte, aber ich habe gelernt, worauf es ankommt. Und wenn ich helfen kann, tu ich das. So wie du das auch kannst. Jeder kann jedem helfen.
Das Beste daran? Man muss nicht perfekt sein. Wie erwähnt, niemand ist sicher vor FakeNews. Auch Experten können sich irren und genau deshalb ist direkte Kommunikation so entscheidend. Fehler werden oft erst erkannt, wenn jemand den Mut hat, darauf hinzuweisen. Nur im Austausch, im Gespräch, werden Zweifel aus dem Weg geräumt. Wenn niemand den Mund aufmacht, bleibt der Irrtum bestehen – und wirkt weiter.
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