Die zwölfjährige Amara schleppt schwere Säcke mit Kakaobohnen durch die Plantage in der Elfenbeinküste. Ihre kleinen Hände sind voller Schnittwunden von den scharfen Werkzeugen. Seit drei Jahren geht sie nicht mehr zur Schule. Was Amara nicht weiß: Ihre Arbeit landet später in Schokolade, die in europäischen Supermärkten verkauft wird. Amaras Geschichte steht für ein globales Problem, das laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO, Bericht 2024) rund 138 Millionen Kinder weltweit betrifft.
Was bedeutet Kinderarbeit?
Kinderarbeit umfasst Tätigkeiten, die Kinder ihrer Gesundheit, Bildung und Entwicklung berauben. Nach Angaben der ILO verrichten etwa 54 Millionen Kinder gefährliche Arbeiten, bei denen sie mit Chemikalien, Maschinen oder schweren Lasten in Kontakt kommen.
Nicht jede Mithilfe von Kindern ist Kinderarbeit, denn gelegentliche Unterstützung im Haushalt oder Familienbetrieb kann Teil der Erziehung sein. Doch wenn Kinder täglich stundenlang schuften, keine Schule besuchen und ihre Gesundheit riskieren, spricht man von ausbeuterischer Kinderarbeit.
Ursachen von Kinderarbeit
Die Hauptursache ist Armut. Familien in Entwicklungsländern können oft nur überleben, wenn auch die Kinder mitarbeiten.
Weitere Faktoren:
- Mangelnde Bildung: Laut UNICEF (2024) haben weltweit rund 244 Millionen Kinder keinen Zugang zu Schulunterricht.
- Fehlende soziale Absicherung: Ohne staatliche Unterstützung geraten Familien schneller in Abhängigkeit.
- Konflikte und Krisen: Kriege und Naturkatastrophen verschärfen Armut und vertreiben Kinder aus Schulen.
Catherine Russell, UNICEF-Exekutivdirektorin, warnte 2024: „Kürzungen bei Bildung und sozialer Unterstützung zwingen viele Familien dazu, ihre Kinder arbeiten zu lassen. Das darf nicht geschehen.“
Formen der Kinderarbeit
Etwa 61 % aller Kinderarbeiterinnen/arbeiter sind in der Landwirtschaft tätig, 27 % in Dienstleistungen und 13 % in der Industrie (ILO, 2024).
Ein Beispiel aus der Textilindustrie in Bangladesch:
Die 13-jährige Rina arbeitet in einer Nähfabrik, die Kleidung für den Export produziert. Sie berichtet in einer Studie von Terre des Hommes:
„Ich nähe Knöpfe und Ärmel an. Wenn ich Fehler mache, bekomme ich kein Geld. Ich arbeite zehn Stunden am Tag – manchmal auch nachts.“
Auch im Bergbau, etwa im Kongo, schürfen Kinder in engen Schächten nach Kobalt, einem wichtigen Rohstoff für Batterien. Die Bedingungen sind gefährlich und oft lebensbedrohlich.
Folgen für Kinder
Die Folgen sind gravierend:
- Körperliche Schäden durch Überlastung, Unfälle oder Chemikalien
- Psychische Belastung durch Angst, Druck und Misshandlungen
- Fehlende Bildung. Kinder verlieren ihre Zukunftschancen
Die 11-jährige Lamiya aus Pakistan z.B. verlor durch einen Webstuhl zwei Finger.
„Ich wollte Lehrerin werden. Jetzt kann ich kaum noch einen Stift halten,“ sagte sie in einem Interview mit Save the Children (2023).
Was wird dagegen getan?
Organisationen und Regierungen versuchen, Kinderarbeit Schritt für Schritt zu beenden:
- Die ILO fordert strengere Kontrollen und faire Arbeitsbedingungen entlang globaler Lieferketten.
- UNICEF investiert in Bildungsprogramme und Sozialhilfe für Familien.
- Länder wie Ghana und Elfenbeinküste starten Programme, um Kinder von Kakaoplantagen in Schulen zurückzuführen.
Gilbert F. Houngbo, Generaldirektor der ILO, sagte 2024 in Genf:
„Wir haben Fortschritte gemacht, aber der Weg, Kinderarbeit zu beenden, ist noch lang.“
Auch Unternehmen stehen in der Pflicht: Das deutsche Lieferkettengesetz (2023) verpflichtet große Firmen, auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen in ihren Lieferketten zu achten.
Was können wir tun?
Jede und jeder kann einen Beitrag leisten:
- Auf Fairtrade-, GOTS- oder Rainforest-Alliance-Siegel achten
- Organisationen unterstützen, die Kinderarbeit bekämpfen
- Über Kinderrechte informieren und andere sensibilisieren
Bewusster Konsum erhöht den Druck auf Unternehmen, faire Produktionsbedingungen zu schaffen.
Fazit
Amara arbeitet weiterhin auf der Kakaoplantage. Ob sich ihr Schicksal ändert, hängt davon ab, ob Verbraucher, Unternehmen und Politik gemeinsam handeln.
Kinderarbeit ist kein fernes Problem, sondern Teil globaler Lieferketten, die bis in unsere Supermärkte reichen. Nur wenn alle Verantwortung übernehmen, kann Amara eines Tages zur Schule gehen und Kinderarbeit der Vergangenheit angehören.
Kommentare